Die Hamburgische Familie Hudtwalcker

Erinnerungsblätter und Stammtafeln

Hudtwalcker Shield

Hamburg, Weihnacht 1879.

Gedruckt bei Th.  G.  Meissner, E.  H. Senats Buchdrucker

Geschänkt Thusnelda Goberts née Hudtwalcker (1819 – 1889) von Syndicus Behr,1 Weihnachten 1879.

Erinnerungsblätter

Die Hamburgische Familie Hudtwalcker stammt, so weit es durch die bisherigen grösstentheils den Kirchenregisstern entnommenen Ermittlungen sich nachweissen lässt, aus dem am linken Elbufer nahe der Mündung des Stromes belegenen Lande Hadeln, genauer gesagt, aus dem zwei Stunden von Cuxhaven entfernten Kirchdorfe Lüdingworth. Einzelne Zweige derselben sind noch jetzt in jener Gegend, namentlich in Bremervörde und im hamburigschen Amte Kissebüttel anfällig.

Der Name Hudtwalcker kommt als Familienname schon im Mittelalter vor. Zu einem Verzeichniss von Ausgaben der Stadt Kiel wird erwähnt, dass 1416 Peter Hudewalkerfür einen Gang nach Eckernförde 2 Schillinge bekam. Als Mitglied eines zu Volkmersen im Kölnischen Herzogthum Wesstphalen 1472 gegen einen Lübecker Bürger gehaltenen Behmgerichts wird Cord Hoedewalker genannt. Als Bezeichnung eines Gewerbesfindet sich das nämliche Wort in dem alten Stadtrentebuch des KirchsspielsSt. Petri zu Hamburg 1385 bei der Anführung der ”Hutwalkerstrate”. Ja schon im Jahre 1283 ist in Lübeck eine ”Vilterbode”an Fredericus Hodwalkere vermiethet worden. Zu Hamburg hat PeterHudtwalckeram 12.August 1650 eine Tochter, Sophia Dorothea, in der St. Catharinen Kirche taufen lassen.

Die Schreibart des Namens wechselt in der Anfangssylbe zwischen Hodt-, Hoet-, Huet,- Hudt,- Hut und noch anderen Variationen, in den beiden Schlusssylben kommt neben dem ”ck” vereinzelt auch das einfache ”k” vor. Zu dem Hamburgischen Familienzweig ist seit 1747 ausschließlich die Schreibart Hudtwalcker angenommen.

Die Bedeutung des Wortes, so weit es ein Gewerbebeziechnet, mag zweifelhaft sein; wenn man aber berücksichtigt, dass nach dem allgemeinen Deutschen Sprachgebrauch die Arbeit des Walkens bei Häuten und Fellen angewandt wird, während Hüte aus Fils, d. h. aus einem Stoff von Haaren oder Wolle schon in Mittelalter hergestellt zu werden pflegten, so scheint es richtiger, bei dem Worte Hudtwalckeran einen Gerber und nicht an einen Hutmacher zu denken, wenngleich derjenige Träger des Namens, der in Hamburg, als er zu Städtlichen Aemtern gelangte, zuerst Veranlassung hatte, sich nach einem Wappen umzusehen, als Helmzierdeeinen Hut, leider in der wenig geschmackvollen dreieckigen Form, wie sie um die Mitte des 18. Jahrhunderts gebräuchlich war, gewählt hat. Dafür, dass man bei dem Worte, weningstens soweit es für die besondere Familie in Frage kommt, eher an einen Gerber oder Kürschner zu denken hat, spricht auch der Umstand der Herkunft aus einem rein ländlichen Bezirk. Dass ein Landmann neben dem Ackerbau auch noch mit der Zurichtung von Hüten geschlachteter Tiere sich befasst, ist eher anzunehmen, als dass er mit dem mehr Städtlichen Gewerbe der Hutmacherei sich beschäftigt habe.

Über die im 17. Jahrhundert in dem Dorfe Lüdingworth ansässigen Vorfahren der Hamburgishen Familie Hudtwalcker enthält eine von dem vormaligen Schultheißen P. Chr. Kopf dassselbstangefertigte, auf dem Gerichtslokal in Otterndorfaufbewahrte Zusammenstellung die zuverlässigste Auskunft. Sie gründet sich hauptsächlich auf zwei Inventarien aus den Jahren 1691 und 1725, die bei der Verteilung des Nachlasses, dass erbeder Wittwe Margaretha Hutwalcker, das zweite ihres Sohnes Dierk Hudtwalckeraufgenommen worden sind, und in denen sich die Namen der Erben angegeben finden. Die Wittwe Margareta Hudtwalckerwird, da das Inventar vom 30. März 1691 datoert ist, mutmasslich gegen das Ende des Jahres 1690 oder Anfangs 1691 verstorben sein.

In den Lüdingsworther Beerdigungsregisstern findet sic him Jahr 1678 am 28. Oktober Johann Hotwalcker eingetragen, das Alter desselben wird auf 70 Jahre angegeben. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass dieser der Ehemann der etwa zwölf Jahre später verstorbenen Margaretha Hutwalckergewesen sei, etwas Bestimmtes lässt sich darüber kaum noch ermitteln, da der Familienname sehr häufig in den Lüdingworther Kirchenbüchern vorkommt, und auch bei Taufnamensich häufig wiederholen. Jedenfalls wird der in dem Stammbaum von P. Chr. Kopf genannte Ehemann der Wittwe MargarethaHutwalckermit dem Vornamen Johannbezeichnet und angegeben, dass er im Westermoore, einem Teil von Lüdingworth, gewohnt habe.

Margaretha Hutwalker vererbte ihren Nachlass auf neun lebende Kinder und einen Enkel, den einzigen Sohn ihres vor ihr verstorbenen Sohnes Jacob, mit Vornamen Johann. Dierk Hudtwalcker hatte 1725 vierzehn Erben, die im Inventar als Brüder und Schwesterkinder bezeichnet werden. Unter ihnen findet sich wiederum JohannHutwalcker aufgeführt mit der Bemerkung, dass er in Altona wohne. Aus diesem Grunde, weil er seinen Geburtsort verlassen und sich unter eine fremde Jurisdiktion begeben, ward in beiden Erbschaftsfällen von seinem Anteil, der jedesmal etwa 150 Mark damaliger Courantwährung betrug, der Zehnte als Erbschaftssteuer abgezogen. Man sieht, dass es sich in dem einen wie in dem anderen Fall nicht um einen besonders Wertvollen Nachlass handelte.

Das Geburtsjahr und der Geburtsort von Jacob Hutwalckerist nicht festzustellen. In den Stammbaum von P. Chr. Kopf wird er als der vierte der Söhne von Johannund Margaretha Hutwalcker aufgeführt, und da sein ihm vorhergehender Bruder Johann im Jahre 1705 67 Jahre alt verstorben, also 1738 geborden ist, so wird sein Geburtsjahr etwa 1640 gewesen sein.

Er sei, heisst es in dem Inventar von 1691, über die Elbe gezogen. Eine Anführung in dem Stammbaum von Kopf liess vermuten, dass in den Registern des in Süderdithmarschen, also über der Elbe, belegenen Kirchspiels Marne etwas über ihn zu finden sein werde. Es ist denn auch gelungen zu ermitteln, dass 1680 am 10. November Jacob Hoetwalker aus Neuendorf auf dem Marner Kirchhofe beerdigt worden ist. Dass er mit dem gleichnamigen Sohne des Lüdingworther Johann Hotwalckeridentisch gewesen, ist kaum zu bezweifeln, da der Familienname in den überelbischen Registern nur selten vorkommt. Was der Zusatz ”aus Neuendorf” bedeuten sollte, ist unklar, es gibt nicht weit von Marne zwei Holsteinische Dörfer dieses Namens, und vielleicht wird das in der Nähe von Wilfter an der Elbe belegene Kirchendorf gemeint sein.   

Blick über die Elbe Foto von Juliane Herrmann
Blick über die Elbe Foto von Juliane Herrmann

Jacob Hoetwalker’s Sohn war Johann, der Enkel der 1690 verstorbenen Wittwe Margaretha. Auch hinsichtlich seiner sind Geburtsjahr und Geburtsort nicht ermittelt. Die oben citierte Anführung von Kopf la¨sst annehmen, dass er in Marne geboren sei, wogegen sich in den noch vorhandenen handschriftlichen Aufzeichnungen seines Sohnes JacobHinrich,des Begründers der hamburgischen Familie, die Angabe findet, sein Vater sei zu ”Oldenbrok im Lande Wursten”2 geboren.

Damit wird ohne Zweifel das, eine Stunde von Lüdingworth und nicht viel weiter von Cuxhaven entfernte Kirchdorf Altenbruch gemeint sein, und da sich in dem Stammbaum von P. Chr. Kopf ausserdem die Angabe findet, es habe Heinrich Hudtwalcker, der jüngste Sohn von Johann und Margaretha nach deren Tode die von den Eltern besessene Landstelle im Westermoor von Lüdingworth bewohnt, so ist es erklärlich, dass Jacob, einer der älteren Söhne, um anderswo sein Glück zu versuchen, über die Elbe gesogen ist, und vielleicht bei den Eindeichungsarbeiten in Süderditmarschen, die nach mehreren verheerenden Sturmfluten in dem letzten Drittheil des 17. Jahrhunderts energisch betrieben wurden, Beschäftigung gefunden hat. Vielleicht hat er, bevor er über die Elbe zog, vorübergehend in Altenbruch gewohnt, und dort sich verheiratet, und es würde dadurch die Angabe, dass sein Sohn Johann in Altenbruch geboren sei, die einfachste Erklärung finden.

Die Kirchtürme in Altenbruch
Die Kirchtürme in Altenbruch

Johann Hotwalcker verlebte zweifelsohne seine Jugendzeit im Kirchspiel Marne, das dortige Populationsregister weisst nach, dass Johann Hotwalcker, sel. Jacob Hotwalcker’s ehelicher Sohn, aus Ramhusen, einem zum Kirchspiel Marne eingepfarrten, etwa eine Stunde von dort entfernten Dorfe, sich am 21. October 1694 mit Trineke Lörnken, sel. Tiefs Lörnken ehelicher Tochter in Marne verheiratet hat. Das Taufregister besagt, dass am 14. September 1695 Johann Hodtwalcker’s Tochter, in Marne geboren, auf den Namen Antje getauft worden sei. Es scheint daraus zu folgen, dass Johann Hotwalcker, als Junggesell in irgend einer Stellung auf dem Dorfe Ramhusen beschäftigt, nach seiner Verheiratung in dem gewerbreichen Flecken Marne sein Unterkommen gefunden hat. Da sein Vater schon vierzehn Jahre früher gestorben war, und in seiner Weise angedeutet wird, dass er mit Grundeigentum ansässig gewesen, so lässt sich schliessen, dass er beim Beginn seines eigenen Hausstandes nicht in besonderes glänzenden Vermögensverhältnissen sich befunden haben wird.

Dafür spricht auch der Umtand, dass er etwa ein Jahrzehnt später in den Altonaer Kirchenregistern vorkommt, und also Marne mit der aufblühenden Handelstadt an Hamburgs Gränze vertauscht hat. Ob diese Übersiedelung noch bei Lebzeiten seiner ersten Ehefrau erfolgt ist, muss dahingestellt bleiben. Von 1708, in welchem Jahre der Name Huthwalcker, später Hutwalcker geschrieben, zuerst in den Altonaer Registern sich findet, bis 1715, sind ihm in Altona drei Söhne und eine Tochter geboren, von den Söhnen aber nur die beiden älteren zu erwachsenen Jahren gekommen.

Johann Hutwalcker starb in Altona am 8. Oktober 1720, seine Wittwe ebendaselbst am 22. August 1724. Sie hiess, wie ihr zweiter Sohn Jacob Hinrich, anführt, Catharina Margaretha, geborne Wichmann, war aus Ferden bei Minden gebürtig und starb 46 Jahre alt. Mit dieser Ortsbezeichnung wird wahrsceinlich die Stadt Verden gemeint sein, die zwar näher Bremen, aber doch nicht allzuweit von Minden entfernt ist.

Nach Johann Hutwalcker’s Tode wurden seinen unmündigen Kindern Vormünder bestellt, die im Jahre 1695 zu Marne geborne Tochter erste Ehe, Antje, war damals schon erwachsen. Sie soll sich später verheiratet und mit dem Betrieb einer Nähschule ernährt haben. Der älteste Sohn, Niclas Diederich, im Jahre 1708 in Altona geboren, lebte dort später als Kornmakler, und ward in seiner zweiten Ehe Vater von zwei Töchtern. Über Johann Hutwalcker’s jüngste Tochter Hanna Constantine ist nichts zu ermitteln gewesen.

Johann Hutwalcker’s zweiter Sohn Jacob Hinrich ward am 20. November 1710 zu Altona geboren. Als die Stadt im nordlichen Kriege von dem Schwedischen General Steenbock eingeäschert ward, am 9. Januar 1713, flüchtete die Wärterin mit den zweijährigen Knaben, er entfiel jedoch ihrer Schütze und erhielt eine starke Kopfwunde, deren Narben er bis zu seinem Tode getragen hat. Als sein Vater, der in Altona einen Käsehandel betrieb, und wahrscheinlich kein erhebliches Vermögen besass, gestorben war, sorgten die Vormünder für seine weitere Erziehung, und gaben ihn im Januar 1724 bei dem Hamburgischen Kaufmanne Meinert von Winthem in die Lehre.

Seine Lehrzeit dauerte acht Jahre und war mit vielen Entbehrungen und Körperlichen Anstrengungen verknüpft. Es gelang ihm jedoch, das Vertrauen und die Zuneigung seines Principals, welcher ein Häringsgeschäft betrieb, sich zu erwerben, er ward nach beendeter Lehrzeit ”Diener” (nach dem Sprachgebrauch des 19. Jahrhunderts ”Commis”), wurde nun, während er bis dahin mit dem übrigen Dienstpersonal seine Mahlzeiten eingenommen hatte, an den Tisch seines Principals gezogen, und befestigte sich so in dessen Gunst, dass er nicht nur in seiner, wahrscheinlich mit einem allmätig steigenden Gehalt verbundenen Stellung bis zum Frühjahr 1743 verblieb, sondern auch zu mehrfachen Geschäftsreisen verwendet wurde, die ihm die besondere Anerkennung des Principals in der Gestalt eines ihm bei der Rückher verehrten neuen Anzuges einbrachten.

Am 18.April 1743 fing er in einer auf dem Kattrepelgemietheten kleinen  Wohnung einen Härings- und Tranhandel für eigene Rechnung an und fand dabei so guten Erfolg, dass er zwei Jahre später ein geräumigeres und günstiger belegenes Haus in der Catharinenstrasse kaufen konnte, dass bis dahin von dem verstorbenen Bürgermeister Anderson3 bewohnt gewesen war. Die Mittel zur Ausbezahlung des die Beschwerungsßumme um etwa 9000 Mark jetziger Währung übersteigenden Kaufschillings entnahm er theils seinen eigenen Ersparnissen, theils wurden sie ihm von seinem früheren Principal vorgeschossen, der ihm dadurch aufs Neue seine durch Pflichttreue und Gewissenhaftigkeit erworbene Zuneigung bestätigte. Das eigene Haus ward im November 1745 bezogen, und das Geschäft ist darin, so wie später in dem Nachbarhause, fast während eines Jahrhunderts betrieben worden.

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Nunmehr zu gereifteren Jahren gelangt, sah sich Jacob Hinrich Hutwalcker, dem ”das neue Haus zu gross werden wollte”, nach einer Gehülfin um, und fand dieselbe nach seines herzens Wunsch in der ältesten Tochter des im Schopenstehl wohnhaften Zuckerbäckers Michael Ehlers, Sara Elisabeth. Die Braut trat an ihrem Verlobungstage in ihr achtzehntes Lebensjahr, der Bräutigam stand im sechs und dreissigsten, trotz dieses erhebliches Altersunterschiedes scheint aber die Ehe eine sehr glückliche gewesen zu sein, und ward durch die geburt von fünf Söhnen und fünf Töchtern gesegnet. 

Bei der Eintragung über die am 28. Juni 1746 vollzogne Trauung des Brautpaares findet sich him Populationsregister der Kirche St. Petri der Name der Bräutigams ”Hutwalcker” geschrieben, dagegen ist im Taufregister der Kirche St. Catharinen, bei der Notis über die Taufe des am 21. September 1747 geborenen ältesten Sohnes, der nach seinen beiden Grossvätern die Vornamen Johann Michael erhielt, in der Anfangssylbe der Buchstabe ”d” eingefügt, und es ist seitdem die Schreibweisse ”Hudtwalcker” von der Familie beibehalten worden.

Jacob Hinrich Hudtwalcker bekleidet eim Laufe der Jahre eine Reihe Kirchlicher wie Städtlicher Ehrenämter, deren Verleihung bekundet, dass er bei seinen Mitbürgern  in Achtung und Ansehen stand, und das in ihn gesetzte Vertrauen rechtfertigte. So ward er im Jahre 1752 Adjunkt an der St. Catharinen Kirche, 1762 Provissor am Gast-und Krankenhause, 1767 Jurat zu St. Catharinen, 1768 Kommerz-Deputirter, 1770 Kammerbürger, 1774 Prässes des Kämmerei, 1778 Börsenalter, 1781 Mitglied des Collegiums der Oberalten.4 Dass er durch seine Gewissenhaftigkeit und Tüchtigkeit in Handelsgeschäften auch an der Börse eine geachtete Stellung einnahm, lässt sich daraus abnehmen, dass er im Jahre 1766 zu einer mehrere Monate dauernden Sendung ”wegen der Häring-Negotie” nach Holland mit einem Kollegen deputirt, zwei Mal zur Verwaltung einer Assuranz-Kompagnie, und zum Oberalten der Schonenfahrer-Gesellschaft erwählt ward.

Dass das von ihm betriebene kaufmännliche Geschäft einen erfreuhlichen Vortgang nahm, ist daraus zu schliessen, dass er von der nach dem Abschluss des Hubertsburger Friedens in Hamburg im August 1763 ausgebrochenen Börsenkrisis, der 95 Handlungshäusser zum Opfer fielen, so gut wie ganz unberührt blieb, und im Februar 1764 bei dem Ankauf eines in der Vorstadt St. Georg auf der Koppel belegenen Gartengrundstücks den Kaufschilling sofort ausbezahlen konnte. Zu diesem Gartenhause, dass er angekauft hatte, um sich mit den Seinigen ”nach verrichteten Geschäften zu erquicken, und an den Werken und Geschäften Gottes zu ergetzen” hat der brave Mann gewiss viele frohe Stunden verlebt, und namentlich, wie er in seinen noch verhandenen handschriftlichen Aufzeichnungen erwähnt, dort am 21. Juli 1771 den 25-jährigen Hochzeittag mit einem solennenFestmahl gefeiert. Er starb, von seiner Wittwe und neun, zum Theil schon verheiratheten Kindern überlebt, am 28. Oktober 1781.

Ein noch vorhandenes in Bleistift gezeichnetes Miniaturbild aus seinen späteren Lebensjahren zeigt interessante Züge eines intelligenten Gesichtes, in dem ein grosses Auge und eine stark ausgeprägte Nase hervortreten.

Jacob Hinrich Hudtwalcker
Jacob Hinrich Hudtwalcker, 1710 – 1781

Von Jacob Hinrich Hudtwalcker’s Kindern findet sich eine Zusammenstellung der Angaben über die wichtigsten sie betreffenden Lebensereignisse in der zweiten Stammtafel. Über den ältesten (Johann Michael, 1747 – 1818) (10), sowie über den dritten Sohn (Nicolaus, 1757 – 1832), wird auf den folgenden Seiten noch ausführlicher berichtet werden.

Der zweite Sohn (Jacob Hinrich, 1753 – 1799), welcher nach seinem Vater die Vornamen Jacob Hinrich trug, widmete sich in seiner Jugend dem Kaufmannsstande, übernahm aber später eine von  seinem Vater nach der damaligen Einrichtung für ihn erkaufte Städtliche Anstellung als Bankschreiber, und starb als solcher am 7. April 1799. Aus seiner Ersten Ehe hatte er einen am 28. Juli 1779 geborenen Sohn (Jacob Heinrich, 1779 – 1810) gleiches Vornamens, welcher wahrscheinlich jung wieder verstarb.

Zu seiner zweiten Ehe wurden ihm sieben Kinder geboren, von denen der älteste Sohn Thomas Christian, 1784 – 1851, Gutspächter auf Putlosim Holsteinischen war, und unverheirathet 1851 verstarb. Der zweite Sohn, Johann Wilhelm, lebte als Kaufmann in Lima, woselbst noch Nachkommen von ihm vorhanden sind. Der Oberalten Jacob Hinrich Hudtwalcker’s vierter Sohn, Christian Martin, 1761 – 1835, geboren am 15. Oktober 1761, widmete sich dem Studium der Theologie, bezog im Jahre 1780 die Universität Göttingen, ward 1786 Pastor zu Malente, 1789 zu Neukirchen im Holsteinischen, und nahm im Jahre 1801 einen Ruf als Prediger der Deutschen Gemeinde in Kopenhagen an.

Weil er sich bei dem Bombardement der Stadt durch die Englische Flotte im September 1807, indem er es versuchte, den König zur Nachgiebigkeit zu Stimmen, bei der Nationaldänischen Bewölkerung missliebig gemacht hatte, musste er diese Stellung später niederlegen. Am Jahre 1810 übernahm er das Pastorat zu Neuenbrok im Holsteinischen, und ward 1814 als Propst und Consistorialrath nach Itzehoe versetzt, wo er im Jahre 1835 verstarb. In seiner ersten Ehe ward ihm im Jahre 1791 zu Neukirchen ein Sohn, Carl Jacob, geboren, welcher als Kirurg in einem Militärhospital zu St. Petersburg 1812 verstorben ist.

Des Oberalten Jacob Hinrich Hudtwalcker ältester Sohn, Johann Michael, über dessen Nachkommen die dritte Stammtafel Auskunft ertheilt, war, wie oben erwähnt, am 21. September 1747 in Hamburg geboren.

Er ward, wie auch die übrigen Kinder, von dem Vater mit grosser Sorgfalt erzogen, und zeigte schon früh einen aufgewechten Geist, so wie ein lebhaftes Interesse für die Wissenschaften. Höchst anziehend sind seine handschriftlich noch vorhandenen Aufzeichnungen über die Erinnerungen aus seiner Jugendzeit; ihr Inhalt lässt es bedauern, dass er in seinen Schilderungen gerade in der Periode abbrach, als sein eigenes Lebens sich bedeutungsvoller zu entwickeln begann, und dass es ihm nachher an Zeit gefehlt zu haben scheint, in seiner Biographie weiter fortzufahren.

In the right upper corner; a bust of his father, Oberalter Jacob Hinrich Hudtwalcker
In the right upper corner; a bust of his father, Oberalter Jacob Hinrich Hudtwalcker

Nur in einer späteren Periode seines Lebens, als er im Jahre 1804 durch den Tod seiner Gattin in Trauer versetzt ward, hat er seinen früheren Aufzeichnungen noch eine Charakterschilderungen der treuen Lebensgefährtin zur Erinnerung für seine Kinder hinzugefügt. Seinen Unterricht erhielt er auf dem Johanneum seiner Vaterstadt, dann widmete auch er sich dem Kaufmannstande, und trat, nachdem er auf weiteren Reisen eine willkommene Gelegenheit zur Ausbildung seines Geistes gefunden hatte, noch bei Lebzeiten seines Vaters als Theilhaben in das von demselben gegründete Kaufmännische Geschäft ein, das in diesem Handlungszweige bald zu den bedeutendsten gerechnet ward. Sein lebhafter Interesse an dem Aufblühen der Deutschen Literatur befundete er auch selbstthätigdurch verschiedene Gelegenheitsgedichte, die zum Theil im Druck erschienen.

Sein Familienleben ward durch seine am 21. Juni 1775, dem Hochzeitstage seiner Eltern, geschlossene Ehe mit der am 6. Juli 1752 geborenen Tochter einer althamburgischen Familie, Elisabeth Moller, ein sehr glückliches. Eine fröhliche Kinderschaar belebte das ehrwürdige Haus in der Catharinenstrasse, die Hausfrau pflegte die Liebe zur Kunst, und war selbst als Malerin ausgezeichnet, bedeutende Fremde verkehrten gern in den gastlichen Kreisen, und dem Herrn des Hauses ward im Jahre 1788 von seinen Mitbürgern durch seine Erwählung zum Senator die höchste Anerkennung zu Theil. Mit Eifer und Pflichttreue erfüllte er die durch seinen Beruf an ihn gestellten Anforderungen.

Als im Anfange des neuen Jahrhunderts die politischen Constellationen immer bedrohlicher sich gestalteten, und am Ende des Jahres 1810 der zuletzt nur noch dem Scheine nach bestehenden Selbstständigkeit Hamburgs mit einem Federstriche ein Ende gemacht ward, zog er sich ganz aus dem öffentlichen Leben zurück. Er war nicjt dazu bewegen, unter dem Drucke der Fremdherrschaft ein Städtliches Amt zu bekleiden, und konnte sich auch im Jahre 1814 nicht zum Wiedereintritt in den seine früheren Functionen wieder aufnehmenden Senat entschliessen. Das warme Interesse, welches er während seines ganzen Lebens dem Wohle der Vaterstadt geschenkt hatte, bestätigte er noch am Schlusse seiner Laufbahn durch die im Druck veröffentlichten Bemerkungen über Abendroth’sWünschebei Hamburgs Wiedergeburt.

Johann Michael Hudtwalcker verstarb am 14.Dezember 1818. Nachkommen seines zweiten und seines dritten Sohnes leben noch in Amerika, wie in Hamburg. Das Andenken an die älteste, früh erblindete Tochter Hedwig, wird durch die nach ihr benannte, von dem Ehemanne einer jüngeren Schwester Thusnelda, dem bekannten Schriftstellers Dr. Med. Jonas Ludwig von Hess gegründete, von seiner Wittwe erwiterte Stiftung für Blinde auch bei späteren Generationen wach erhalten werden.

Der dritte Sohn des Oberalten Jacob Hinrich Hudtwalcker, nach dessen Bruder Nicolaus benannt, ward am 4.Mai 1757 geboren, und widmete sich ebenfalls dem Kaufmannsstande. Am 12.Mai 1772 ging er nach Livorno um dort eine contractliche Stellung zuerst auf sechs Jahre als Lehrling, dann auf weitere vier Jahre als Handlungsdiener bei der Firma Otto Franck& Co. Einzutreten. Anfang September 1780 ward er von seinen Principalen nach Cadiz gesandt, um zwei von Ostindien erwartete Kauffahrteischiffe dort zu empfangen und ihnen die Ordre zu überbringen, dass sie nicht nach Triest segeln sollten. Er machte diese Reise auf dem Landwege und zu Pferde, und in seinem Hause wurden noch fünfzig Jahre später die schweren Reiterstiefel aufbewahrt, die er auf jener Reise getragen hatte.

Nach Hamburg zurückgekehrt, ward er am 17. Februar 1783 Grossbürger und etablirte ein eigenes Kaufmännisches Gechäft, in späteren Jahren ward er Assuranzmakler und erwarb sich als solcher, besonders nachdem die geschäftliche Periode der französsichen Occupation überstanden war, an der Börse eine sehr geachtete Stellung, die sein zweiter gleichnamiger Sohn mit ihm theilte.

Am 15. November 1786 verheirathete er sich mit Charlotte Amalie Ohmann, die einer alten, jetzt völlig ausgestorbenen, hamburgischen Familie angehörte, und ward, wie die vierte Tafel nachweisst, Stammvater einer zahlreichen Familie. Von den Seinen geliebt und verehrt, von seinen Mitbürgern allgemein geachtet, verstarb er am 25. Januar 1832, seine Wittwe überlebte ihn um 10 Jahre.

Der oben erwähnte zweite Sohn, ebenfalls Nicolaus mit Vornamen, am 10. März 1791 geboren, ward in dem von dem Vater gegründeten Assurancemaklergeschäft dessen Theilhaber, und brachte dasselbe zu einem solchen Aufschwunge, dass er an der hamburgische Börse in dieser Branche die erste Stelle einnahm.

Er galt als unbestrittene Autorität in schwierigen Fällen des Assuranz- und Seerechts, und ward deshalb auch zu den Konferenzen, welche bei der Bearbeitung des deutschen Seerechts im Jahre 1864 in Hamburg stattfanden, hinzugezogen. Von seinem regen Kunstsinnund seinem Geschmack zeugte die von ihm hinterlassene Gemäldesammlung. Er starb unverheiratet am 26. Februar 1863.

Sein einziger, um wenige Jahre älterer Bruder, nach dem mütterlichen Grossvater Martin Hieronymus genannt, ward in Hamburg am 15. September 1787 geboren. Seine erste Erziehung erhielt er von seinem Onkel Christian Martin, der damals Landprediger zu

Neukirchen im holsteinischen war, und ihn von 1793 – 1801 unterrichtete. Schon hier legte er den Grund zu seinem Freundschaftsbünde mit dem Grafen Wolf Heinrich Baudissin, dem bekannten Dichter und Übersetzer, dessen väterliches Gut Rantzau ganz in der Nähe belegen war.

Im Jahre 1801 folgte er seinem Onkelnach Kopenhagen, wohin derselbe einen Ruf als Prediger der deutschen Gemeinde erhalten hatte, und besuchte bis zum Sommer 1803 die dortige lateinische Schule, dann vom Herbst 1803 bis zum Früjahr 1805 die Selecta des Gymnasiums in Gotha, wo Döring und Jacobs seine Lehrer waren, und er in dem nachher als Philologe bekannt gewordenen Franz Passow einen Freund und Studiengenossen fand.

Um sich von einer überstandenen schweren Krankheit zu erholen, verlebte er den Sommer des Jahres 1805 im elterlichen Hause, und bezog im Hebrst die Universität Heidelberg, wo erin nähere Beziehungen zu dem damaligen Professor Heisse, dem nachherigen Präsidenten des Lübecker Ober-Appellations-Gerichtes trat, und auch in dem Hause des Dichters J. H. Voss verkehrte. Im Früjahr 1807 ging er nach Göttingen, und setztedort seine Juristischen Studien, in Gemeinschaft mit dem Grafen Baudissin fort, der ihn im Früjahr 1808 wiederum nach Heidelberg begleitete.

Von hier aus machten die Freunde, denen sich als dritter im Bunde der später als Geschichtsschreiber der Befreiungskriege und als Schulmann bekannt gewordene Philologe Kohlrauschanschloss, in den Herbstferien eine genussreiche Fussreise durch die Schweiz, die über die Gotthardstrasse bis an den Lago maggiore führte. Am 16. Februar 1809 bestand Hudtwalcker in Heidelberg sein juristisches Doktorexamen in rühmlichster Weisse; zum Thema seiner Dissertation hatte er die Lehre vom foenus nauticum5 gewählt. In das Schlussjahr seiner Universitätszeit fiel auch seine Bekanntschaft und Freundschaft mit dem nachherigen Kriminalisten Mittermaier, der bis zu seinem Ende mit ihm in vielzeitiger Berührung blieb.

Jean Paul, 21 March 1763 – 14 November 1825
Jean Paul, 21 March 1763 – 14 November 1825.

Nach dem Abschied von Heidelberg trat Hudtwalcker eine mehrmonatliche Reise an, auf der er in Bayreuth mit Jean Paul, in Jena und Weimar mit Wieland und Goethe bekannt ward.

Johann Wolfgang von Goethe, 28 August 1749 – 22 March 1832.
Johann Wolfgang von Goethe, 28 August 1749 – 22 March 1832.

Namentlich der lezteren traf er häufig, während seines einmonatlichen Aufenhalts in Jena, in dem Frommann’schen Familienkreis, der damals auch Minchen Herzlieb angehörte.

Ebenso lernte er dort Werner, den Dichter der ”Söhne des Thales” und den Übersetzer des Tasso, J. D. Gries, seinen Landsmann, näher kennen. Über Leipzig, Dresden und Berlin, wo er Fichte und Nicolai aufsuchte, kehrte er Ende Septeember 1809 in seine Vaterstadt zurück, die bald nach der Schlacht bei Jena6 von französischen Truppen besetzt war, und nur noch einen Schein ihrer früheren Selbstständigkeit bewahrt hatte.

Nachdem er sich als Advocat habilitiert, beendigte er zunächst die Ausarbeitung seiner Dissertation de foenore nautico, die gedruckt veröffentlich ward. Seine advocatorische Thätigkeit begann sich in erfolgreicher Weise zu entwickeln, und würde gewiss bald einen weiteren Umfang gewonnen haben, wenn nicht ein schon lange drohendes Ereigniss sich verwirklicht hätte.

In den letzten Tagen des Jahres 1810 ward Hamburg durch einen Machtspruch Napoleons dem französischen Reiche einverleibt. Hudtwalcker vermochte es nicht über sich zu gewinnen, dieser Katastrophe sich schweigend zu unterwerfen. Er entschloss sich, in der Hoffnung auf den Eintritt besserer Zeiten, nach Österreich zu gehen, und verliess im September 1811 seine Vaterstadt.

Am 7. Oktober 1811 in Wien angelangt, beschäftigte er sich dort während des Jahres 1812 mit Studien in den Bibliotheken, mit der Ausarbeitung einer juristischen Abhandlung über die schiedsrichterlichen Diäteten in Athen,7 die im Druck erschien und grosse Anerkennung fand, sowie mit vielfachen literarischen Arbeiten, und verkehrte mit Friedr. Schlegel und Theodor Körner.

Der untergang des französischen Heeres in Russland im December 1812 und die Erhebung Preussens im Früjahr 1813 belebten aufs Neue die Hoffnung der deutschen Patrioten. Rücksichten auf seinen Gesundheitszustand machten es für Hudtwalcker unmöglich, die Waffen für das Vaterland zu ergreifen. Er reisste im Mai 1813 nach Böhmen, da aber seine Bemühungen, eine Stellung zu gewinnen, durch die er in irgend einer anderen Weisse seine Kräfte zum Besten des Vaterlandes hätte verwenden können, erfolglos waren, so kehrte er im Juli wieder nach Wien zurück, und übernahm bald darauf die Aufgabe, die beiden ältessten Söhne des Grafen Stadion, welcher der Zeit in Österreich neben Metternich auf die Leitung der öffentlichen Angelegenheiten einen hervorragenden Einfluss hatte, auf die Universität Tübingen zu begleiten.

Mit mehrfachen, durch die Kriegsereignisse verursachten Unterbrechungen verblieb er dort bis zum September 1814, hauptsächlich mit historischen Forschungen sich beschäftigend. Nach einem kurzen Aufenhalt in Wien während der Zeit des Congresses geleitete er im Herbst die jungen Grafen Stadion nach Göttingen, bis sich him Früjahr 1815 dies Verhältniss löste, und im Juni sine zweite Rückkehr in die Vaterstadt stattfand.

In Hamburg widmete sich Hudtwalcker der Wiederaufnahme seine advocatorischen Thätigkeit mit grossen Eifer und einem solchen Erfolge, dass er bald zu den meissten beschäftigten Anwälten gerechnet ward.

Am 29. März 1817 erfolgte seine Verheiratung mit Charlotte von Mengershausen aus Göttingen, deren Bekanntschaft er dort im Jahre 1814 gemacht hatte. Am 29. März 1820 ward er zum Mitgliede des Senats erwählt. Nach den Bestimmungen der städtischen Verfassung konnte er sich der Annahme dieser Wahl nur durch Auswanderung entziehen. Mit Widerstreben entschloss er sich zur Annahme, da ihm die advocatorische Thätigkeit mehr zusagte. Ein Versuch, durch Übernahme einer Rathsstelle bei dem im Jahre 1820 in Lübeck constituirten Ober-Appelations-Gericht der freien Städte Deutschlands sich ausschiesslich dem Richterberufe zuzuwenden, scheiterte im Jahre 1821 an der Weigerung des hamburgischen Senats, ihn aus seiner Mitte zu entlassen. So verblieb er in diesem Amte während eines vierzigjährigen Zeitraums, in den verschiedensten Zweigen der Verwaltung des vaterstädtlichen Gemeinwessens mit unermüdlichen Eifer thätig.

Besonders bei der Verwaltung der Polizei, die in den Jahren 1833-1839 unter seiner übersten Leitung stand, während er bereits 1831 zur Zeit bürgerlichen Unruhen und bei dem ersten Auftreten der Cholera als interimistischer Chef derselben fungirt hatte, entwickelte er eine rastlose Umsicht und Energie, die in den weiten Kreisen allgemeine Anerkennung fand. Nicht minder bewährte er sich als Vorsitzender der Commissionen, welche zur Beratung über eine durchgreifende Änderung des Criminalverfahrens und zur Bearbeitung eines hamburgischen Criminalgesetzbuches zusammenberufen waren.

Während der Tage des grossen Brandes im Mai 1842 wirkte er in der Senat von eingesezten ausserordentlichen Polizeicommission. Ebenso war er Mitglied der mit der Vorbereitung  von Verfassungsänderungen im Jahre 1848 beauftragten Reformdeputation, und während einer Reihe von Jahren Vorsitzender der oberen Schulbehörde, des Scholarchats, nachdem er schon im Jahre 1828 die nuen Jahre später beendete Reform des akademischen Gymnasiums eingeleitet hatte. Dem Obergerichte, welches damals noch durch eine Section des Senats gebildet ward, gehörte er schon im Jahre 1821 an, und was dessen Präsident während der letzten Jahre seines amtlichen Wirkens.

Von seinen legislatorischen Arbeiten verdient, ausser den auf die Umgestaltung der Criminalgessetzgebung bezüglichen, zunächst die im Jahre 1828 entworfene, 1831 ins Leben getretene Vormundschaftsordnung die rühmendste Auszeichnung. Nicht minder tüchtig waren seine auf die Regelung der bürgerrechtlichen Verhältnisse gerichteten Leitungen, die Verordnungen über das Bürgerrecht und über das Gesinde, vom Jahre 1833, sowie diejengien über das Heimathsrecht, und über Schussverwandtschaft von 1837. Mit der Bearbeitung eines Pressgesetzestesbechäftigte sich Hudtwalcker schon in dem dritten Decennium des Jahrhunderts, während erst nach der 1848 erfolgten Aufhebung der Censur ein solches zu Stande kam.

Eine ungemeine Arbeitskraft machte es ihm möglich, ausserhalb seiner zeitraubenden und anstrengenden amtlichen Thätigkeit noch zu literarischen Arbeiten die nötige Muse zu finden. Im Jahre 1823 begann er im Verein mit Dr. C. Trummer die Herausgabe der ”criminalistischen Beiträge”, einer in wissenschaftlichen Kreisen aufs günstigste beurtheilen Zeitschrift. Erinnerungen aus seinem eigenen Leben, in ein novellistisches Gewand gekleidet, veröffentlichte er 1826 unter dem Titel Bruchstücke aus Karl Bertholds Tagebuch.8 In mehreren kleineren Brochüren9 bekundete er sein Interesse an vaterstädtlichen Angelegenheiten, und war ausserdem Mitarbeiter verschiedenen wissenschaftlichen Zeitschriften.

Auch auf religiösen Gebiete entwickelte Hudtwalcker schon bald nach seinem Eintritt ins Amtliche Leben eine hervorragende Thätigkeit, zunächst durch sein Auftreten gegen die rationalistische Richtung, die damals aud den Kanzeln nicht minder, wie in der Bevölkerung Hamburgs die überwiegende war.

Diejenigen, welche nicht zu seinen Gesinnungsgenossen zählten, lernten ihn bald als einen jederzeit kampfbereiten und schlagfertigen Gegner kennen, dessen geistige Begabung und wissenschaftliche Bildung sie ebenso wie seine moralische Integrität anerkennen mussten. Keineswegs gegen Andersgläubige feindlich gesinnt, wirkte er für die Constituirung der englisch-reformierten, und der englisch-bischöflichen, sowie später der Baptisen-Gemeinde. Ausserdem war er im Jahre 1833 einer der Gründer der Rettungsanstalt für sittlich verwahrloste Kinder, die unter dem Namen des ”Rauhen Hauses” weit über die Mauern Hamburgs hinaus bekannt geworden ist.

Die Missionsgeschellschaft, dem Mässigkeitsverein, dem Magdalenenstift, dem Verein für entlassene Sträflinge und anderen ähnlichen Instituten widmete er eine lebhafte Theilnahme und war bis an sein Lebensende Prässes der Hamburg-Altonaischen Bibelgeschellschaft. Bei Gelegenheit der Feier seines juristischen Doctorjubiläums am 16. Februar 1859 ward ihm von der Universität Berlin die Würde eines Doctors der Theologie verliehen.

Als nach mehr als zwölfjährigen Vorarbeiten am Ende des Jahres 1860 die neue Hamburgische Verfassung ins Leben trat, zog sich Hudtwalcker, durch Rücksicht auf sein vorgerüchtes Alter und seine geschwächte Gesundheit bewogen, von der öffentlichen Laufbahn zurück. In der wohlverdienten Musse beschäftigte er sich mit schriftlichen Arbeiten und Sammlung biographischer Notizen, bis er im Februar 1865 von einer lebensgefährlichen Krankheit ergriffen ward, die seinem irdischen Dasein am 16. August 1865 ein Ziel setzte. Seine Wittwe überlebte ihn bis zum 15. September 1870. Von den zwölf Kindern ihrer Ehe, waren damals noch acht am Leben, die Geburt des einzigen Enkels ihres Namens, Nicolaus Christian Hudtwalcker, haben noch beide Grosseltern erlebt.

Der Stamm der hamburgischen Familie Hudtwalcker blüht gegenwärtig noch in folgenden Zweigen und Stammhaltern:

I) Nachkommen des Senator Joh. Michael Hudtwalcker:

1) Sohn und Enkel von Hermann Hudtwalcker, Horatio und dessen Söhne in Nord- Amerika

2) Sohn von Carl Hudtwalcker, Heinrich, in Hamburg ansässig als Kaufmann

II) Nachkommen des Bankschreibers Jac. Hinr. Hudtwalcker:

Sohn von Johannes Wilhelm Hudtwalcker, Johannes, in Lima ansässig als Kaufmann

III) Nachkommen des Assuranzmaklers Nicolaus Hudtwalcker:

1) Sohn des Senators Martin Hieronymus Hudtwalcker, Carl Bernhard, in Buenos Aires ansässig;

2) Enkel desselben, Nicolaus Christian, zur Zeit in Valparaiso

Möge die freie Hansestadt, die vor meht als anderthalb Jahrhunderten den Ahnherrn in ihre Mauern aufnahm, und ihn und sein Geschlecht in rühmlicher Thätigkeit zu Wohlstand und Ehren erblühen sah, auch den späteren Generationen eine liebe Heimat sein und bleiben.

Weihnacht 1879

The text has been modified from the original manuscript in Gothic German by the kind assistance of Mrs. Simone Hedstrøm, Oslo.

Hinweise

  1. Ein Syndikus ist ein Rechtsanwalt, der im Rahmen eines dauerhaften Becschäftigungsverhältnisses seine Arbeitszeit und Arbeitskraft einem nichtanwaltlichen Arbeitgeber wie einem Unternehmen, Verband oder einer Berufsständischen Körperschaft sowie Stiftung zur Verfügung stellt.
  2. Das Land Wursten ist eine historische Landschaft zwischen Bremerhaven und Cuxhaven. Während des Mittelalters bildete es die östlichste Landscaft der freien friesischen ”Seelande”. Die Samtgemeinde fusionierte am 1. Januar 2015 mit der Gemeinde Nordholz und bildet seitdem die Einheitsgemeinde Wurster Nordseeküste.
  3. Johan Anderson, 1674 – 1743, der Sohn des Hamburger Kaufmanns und Walfangsreeders Ammon Anderson, war Jurist, Hamburger Bürgermeister von 1723 bis 1743, sowie Natur- und Sprachforscher.
  4. Das Kollegium der Oberalten ist seit 1528 eine Vereinigung von jeweils drei Gemeindeältesten der Hamburger Hauptkirchen.
  5. Foenus nauticum: A Latin term which means nautical or maritime interest. It is an extraordinary interest rate charged to underwrite a hazardous voyage. It is also termed as usura maritima.
  6. See Appendix to: Of Truth and Justice
  7. Photo of Martin Hieronymus Hudtwalcker’s book.
  8. Photo of the book ”Karl Berthold”
  9. Photos of pamflets

www.hudtwalcker.com 2015